Für die praktische Umsetzung des selektiven Trockenstellens ist eine komplexe tierindividuelle Datenanalyse und Diagnostik notwendig, die sehr arbeits- und zeitintensiv ist. Das im Innovationsprojekt IQexpert entwickelte Expertensystem bietet hierfür Unterstützung. Dabei werden innovative, moderne Wege eingeschlagen, die zu einem verantwortungsvollen Antibiotikaeinsatz sowie einer verbesserten Tiergesundheit beitragen.
Die Grundlage hierfür bilden Entscheidungsbäume, die teilweise auf Grund ihrer Komplexität kaum Einzug in die Praxis erhalten haben. Mit Hilfe des Expertensystems werden mehrere komplexe Entscheidungsbäume miteinander verknüpft. Zusätzlich wird die Arbeit erleichtert, indem vorliegende Daten automatisiert in das Expertensystem einfließen.
Welche Daten werden genutzt?
Um die Arbeit beim selektiven Trockenstellen zu erleichtern, stammt ein Großteil der Daten aus der Milchkontrolle, die monatlich automatisiert bereitgestellt werden. Zusätzlich werden Schalmtestergebnisse, die in den RDV-Herdenmanager eingegeben werden, berücksichtigt. Um das Erregergeschehen in der Herde im Blick zu haben, wird ein Herdenscreening sowie regelmäßige Viertelanfangsgemelksproben empfohlen – auch diese Ergebnisse werden für die Handlungsempfehlungen berücksichtigt. Steht eine Datenschnittstelle zu Laboren bereit, erfolgt eine automatische Übertragung der bakteriologischen Untersuchungsergebnisse.
Anschließend wird eine Handlungsempfehlung ausgesprochen:
Wird das Tier auf Grundlage sämtlicher Daten als eutergesund eingestuft, kommt es für ein antibiotikafreies Trockenstellen in Frage.
Gibt es Anzeichen für ein möglicherweise euterkrankes Tier muss die Hoftierärztin / der Hoftierarzt hinzugezogen werden, um das weitere Vorgehen abzustimmen.
Mittels der nachfolgenden Grafik haben Sie die Möglichkeit den Entscheidungsbaum zum selektiven Trockenstellen, der von der LMU München entwickelt wurde, im Detail anzusehen.

IQexpert als Hilfestellung
IQexpert ist bei der Entscheidungsfindung, welche Kuh ohne Antibiotika auf Grund ihres Eutergesundheitsstatus trockengestellt werden kann, eine große Unterstützung. Die im Milchviehbetrieb bereits vorliegenden Daten werden gebündelt, durchlaufen automatisiert einen Entscheidungsbaum und auf dieser Grundlage wird anschließend eine Handlungsempfehlung ausgegeben. Dabei kann das System sein volles Potential nur mit einer guten Datenpflege ausschöpfen.
Ein Beispiel hierfür ist die digitale Dokumentation klinischer Mastitiden. Die von IQexpert ausgesprochene Ergebnisse müssen immer hinterfragt, verstanden und mit der Hoftierärztin / dem Hoftierarzt besprochen werden – erst danach kann eine Entscheidung, ob die Kuh mit oder ohne Antibiotika trockengestellt werden soll, getroffen werden.
IQexpert im eigenen Betrieb einsetzen
Das IQexpert Expertensystem wird von folgendem LKV bereitgestellt:

LKV Bayern:
Die digitale Entscheidungshilfe zum selektiven Trockenstellen kann in den LKV-Anwendungen des LKV Bayern e.V. abgerufen werden.Informationen zur Teilnahme und Anwendung finden Sie im Modul ProGesund unter „Trockenstellen“ oder kontaktieren Sie Ihre MLP-Fachabteilung des LKV Bayern e.V.
Eine Übersicht und Hilfe zur digitalen Entscheidungshilfe zum selektives Trockenstellen im LKV Herdenmanager finden sie hier.
Der LKV Bayern bietet Online Schulungen zur Anwendung des Entscheidungsbaumes an. Die nächsten Termin und die Anmeldung im LKV Portal sind unter „Aktuelles“ auf der LKV Bayern Homepage zu finden.
Die digitale Entscheidungshilfe zum selektiven Trockenstellen folgt demnächst bei weiteren LKVs.
Wer steckt hinter IQexpert?
Die nachfolgend gelisteten sechs Organisationen haben von Februar 2021 bis Dezember 2024 im Innovationsprojekt IQexpert interdisziplinär zusammengearbeitet. Ein wichtiger Bestandteil bei den Forschungsarbeiten war, dass von Beginn an neunzehn Praxisbetriebe aus Baden-Württemberg und Bayern miteinbezogen wurden. So konnte der Entscheidungsbaum zum selektiven Trockenstellen direkt in der Praxis getestet und weiterentwickelt werden.
- Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI) entwickelte das auf künstliche Intelligenz basierende digitale Expertensystem.
- Der Arbeitsbereich „Ambulanz und Bestandsbetreuung“ der Klinik für Wiederkäuer der Ludwig-Maximilians-Universität München betreute die Projektbetriebe und lieferte die veterinärmedizinische Expertise.
- Das Medienlabor der Hochschule Osnabrück entwickelte die App und arbeitete mit dem DFKI an einer automatischen bildbasierten Tieridentifikation.
- Das Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern e. V. organisierte die Datenlogistik für die Betreuung der Projektbetriebe und mit Unterstützung vom LKV NRW für die Entwicklung des Expertensystems. Des Weiteren wurden zusätzliche Merkmale aus AMS- bzw. LactoCorder-Messdaten zur frühzeitigen Erkennung von möglichen Eutergesundheitsstörungen erarbeitet.
- Der Milchprüfring Baden-Württemberg e. V. zeichnete sich für die Arbeiten zu GenoCell® verantwortlich.
- Der Deutsche Verband für Leistungs- und Qualitätsprüfungen e. V. koordinierte das Projekt.
